Tiefe Arbeit und der Weg zum Erfolg

Tiefe Arbeit ist für uns Grafikdesigner wichtig: ungestört und ohne Ablenkung arbeiten zu können erlaubt es uns erst, kreativ zu werden. Und nur in diesem Sinne kreative  Grafikdesigner sind erfolgreiche Grafikdesigner.

Während meines Studiums begegnete mir folgende Illustration,1 die den „Weg zum Erfolg“ mittels zweier Wege veranschaulicht:

https://flowingdata.com/wp-content/uploads/2009/09/road_full.jpg

einerseits auf dem richtigen Weg, mit richtigem System, welcher in der Illustration als sichere Reise mit dem Zug dargestellt wird, die alle Gefahren des zweiten Wegs vermeidet, und andererseits eben auf diesem zweiten Weg, der nicht zufällig als eine Reise zu Fuß dargestellt wird und entlang dessen nicht gerade wenige Gefahren auf den Reisenden lauern; diese Illustration blieb mir ein treuer Begleiter während meines Studiums, auch wenn ich anmerken will, dass ich mich viel mehr auf die Gefahren entlang des Fußwegs konzentrierte, als dass ich mich damit auseinandersetzte, dass ich eigentlich – durch Studium und glückliche Umstände – auf dem richtigen, sicheren Weg zum Ziel war.

Mein Ziel ist die Selbstständigkeit als Grafikdesigner, doch dazu bedarf es in meinem Fall einer zusätzlichen Absicherung: der Einschränkung von Ablenkung .

Heutzutage besteht die Ablenkung schlechthin  in der Form von Social Media, was für mich als Grafikdesigner besonders heikel ist: dass das Medium die Message ist, machte mich nicht dagegen immun, endlos den eigenen Feed zu optimieren und zu kuratieren, nur um am Ende dann zu bemerken, dass meine Unzufriedenheit mit „dem Algorithmus“ ganz woanders herkommt, und eben nicht aus mangelnder Selbstkontrolle stammt.2

Der Grafikdesigner ist – ob durch Ausbildung oder Talent – dazu veranlagt, Fehler zu erkennen und diese dann so lange zu korrigieren, bis er zufrieden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Fehler nicht fortlaufend entstehen, dass also seine Arbeit ein Ende hat.

Aber die Frage ist: Erfolg mit was genau? Und die Antwort ist auch schnell gefunden: Erfolg für die Betreiber der Website, auf der man aktiv sein will.

Gerade „Leuten wie mir” wird gerne vorgekaugelt, dass nur eine ausreichend aktive Präsenz auf Social‑Media‑Website ABC schon zum Erfolg führen würde. Aber die Frage ist: Erfolg mit was genau? Und die Antwort ist auch schnell gefunden: Erfolg für die Betreiber der Website, auf der man aktiv sein will.

Wenn man, wie ich, daran interessiert ist, dass der eigene , berufliche Erfolg aus der eigenen Arbeit entsteht, dass also Arbeit und Beruf Hand in Hand gehen, dann entsteht genau hier schon das Problem, dass sowohl Csíkszentmihályi, als auch Carr – in ihren eigenen Worten – als ein Problem für die Kreativität ansehen.3,4

Man kann dieser tiefen Arbeit der Kreativität nicht nachgehen, wenn man ständig abgelenkt wird. Und entgegen der Meinung jener Leute, die Carr gegenüber behaupteten, dass eine Art richtungslosen Umherstreifens für ihre Arbeit sehr nützlich ist, behaupte ich, dass das schlicht für die Wenigsten zutrifft: für die wenigsten Arbeiten, wie auch für die wenigsten Menschen.

Um also meinen eigenen Weg zum Erfolg nicht zu gefährden, um selbst kreativ zu bleiben, um aber auch kreativ bleiben zu können , helfe ich mir durch ein bewährtes System: dem bewussten Erzeugen von Langeweile.

Ich schränke somit meine Nutzung von Social Media auf täglich höchstens zwei Stunden ein, die wiederum von jener tiefen Arbeit  in zwei Teile gespalten werden, die Csíkszentmihályi als Grundvoraussetzung für Kreativität erkennt.5

Denn wenn ich nicht damit beschäftigt bin, etwas zu optimieren, das meines Wissens nach dafür geschaffen ist, meine Zeit zu verschwenden, und ich auch nicht davon abgelenkt werde, welchen und den wievielten Kaffee meine werten Kollegen jetzt gerade, genau in diesem Moment schlürfen oder nicht schlürfen, dann sitze ich wieder in meinem Zugabteil mit all den anderen, die in ihre eigenen Bücher, Notizen und ihre Arbeit vertieft sind, auf dem Weg zu diesem Erfolg. Der Zug dorthin fährt von alleine. Das ist der Wert eines richtigen Systems. Man darf nur nicht aussteigen, oder sich zumindest nichts vormachen, wenn man aussteigt.

Hier sind zwanzig weitere Videos, die ich selber prüfen muss, ob sie zu meinem Geschmack passen.

Wenn man also beispielsweise kein einziges YouTube‑Video mehr anschaut und stattdessen sich Filme anschaut, dann wird das eine bessere Investition der eigenen Zeit sein. Aber darin liegt das Problem von Social Media: audiovisuelle Medien sind durch sie demokratisiert worden. Das ist ein Feature . Ehrlich. Hier sind zwanzig weitere Videos, die ich selber prüfen muss, ob sie zu meinem Geschmack passen. Social Media als Medium ist schlicht ein full time job , das heißt, wenn man acht Stunden am Tag davor sitzt, dann wird man danach durchaus erschöpft sein. Über Stunden hinweg Aufmerksamkeit zu erbringen, ist der schlechtbezahlteste Job der Gegenwart: wie beim Glücksspiel erhofft man sich durchs Weitermachen, dass man seine Verluste schon wieder einfahren wird. Aber die verlorene Zeit bleibt verloren. Für über 90% aller Social‑Media‑Accounts fällt das, was sie tun, unter den archaischen Begriff der „Liebhaberei”, dafür dann aber hauptberuflich.

Kurz gesagt: ich glaube, dass ein Leben als eine Art „Augentier“ geführt, das unentwegt alles mögliche zu Gesicht bekommt, kaum Platz für die Entwicklung eines eigenen Willens hat. Meine eigene Erfahrung als ein solches Augentier hat mich zumindest kein Stück weit meinen Zielen näher gebracht, dafür war ich aber so dermaßen von – nüchtern betrachtet – vergleichsweiser Leere unterhalten, dass ich nicht einmal Erinnerungen darüber behielt.

Nur muss man dann auch damit aufhören, wenn man merkt, was für einen schlecht ist. Das ist die Bedingung und der Preis dieser Erkenntnis.

Obwohl. Zu bemerken, was stört und was einen ablenkt, stellt sich immer als etwas nützliches heraus. Nur muss man dann auch damit aufhören, wenn man merkt, was für einen schlecht ist. Das ist die Bedingung und der Preis dieser Erkenntnis. Und wenn man etwas behebt, dann verschwindet das Problem.

Wish me luck .

  1. ursprünglich fand ich diese Illustration über The Road to Success, published 1913 “Motivational… – Lapidarium notes, alternativ auf archive.org https://web.archive.org/web/20250528180913/https://aminotes.tumblr.com/post/582655273/the-road-to-success-published-1913-motivational ↩︎
  2. McLuhan, Marshall, und Quentin Fiore. The Medium Is the Massage. London: Penguin, 2008.
    ↩︎
  3. Csíkszentmihályi, Mihály. Creativity: flow and the psychology of discovery and invention. 1st ed. New York: HarperCollinsPublishers, 1996.
    ↩︎
  4. Carr, Nicholas G. The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains. 1st ed.: W. W. Norton & Company, Incorporated, 2011.
    ↩︎
  5. Csíkszentmihályi. 1996 ↩︎

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